Täglich springen neue Computerspieler, Künstler und Krypto-Miner auf den Ubuntu-Zug auf, weshalb der Kernel eine immer größere Rolle spielt. Dieses mächtige Softwaremodul entscheidet nämlich darüber, wie leistungsfähig das beliebte Debian-Derivat ist. Das liegt daran, dass im Systemkern vor allem Gerätetreiber enthalten sind, die nicht nur von der Linux Foundation und Canonical, sondern auch von den Hardwareherstellern integriert wurden.
AMD hat einen Meilenstein geschafft: Rund zehn Jahre, nachdem das Unternehmen ein verstärktes Engagement für quelloffene Linux-Treiber verkündet hat, unterstützen diese jetzt erstmals alle aktuellen Grafikprozessoren in einer für Anwender zufriedenstellenden Weise.
Leemhuis, Thorsten: Kernel-Log. Linux 4.15: AMD-Vega-Support & RISC-V-Unterstützung. In: c’t Nr. 4 (2018). S. 32.
Des Weiteren sind aktuelle Treibersammlungen häufig mit Firmware-Patches ausgestattet, die während des Bootvorgangs hardwareseitige Sicherheitslücken¹ schließen.
Manche Systeme arbeiten mit einem neuen Kernel sogar energieeffizienter. So können Netzwerkchips von Realtek ab Mainline-Version 4.19 endlich auch unter Linux in den Schlafmodus wechseln, was bei den meisten Notebooks zu deutlich längeren Akkulaufzeiten führt. Darüber hinaus haben Intel-Entwickler in diesem speziellen Codearsenal dafür gesorgt, dass Debian, Ubuntu und Co. bereit für den WLAN-6-Standard sind.
Linux 4.19 unterstützt den WLAN-Standard IEEE 802.11ax [...], der WLAN-Übertragungen um den Faktor vier zu beschleunigen verspricht und 2019 ratifiziert werden dürfte. Die entsprechenden Änderungen haben Intel-Entwickler beigesteuert.
Leemhuis, Thorsten: Kernel-Log. Linux 4.19: Flackerfrei starten und Strom sparen. In: c’t Nr. 22 (2018). S. 41.
Ferner entscheidet die Ausstattung eines Linux-Kernels darüber, ob die Temperatur² von einer physischen Hardwarekomponente ausgelesen werden kann. Hingegen nach dem Bootvorgang kümmert sich der monolithische Systemkern vor allem um die Speicherverwaltung. Außerdem teilt die Schnittstellensoftware einzelnen Prozessen Rechenzeit zu, damit die CPU zu jeder Zeit optimal ausgelastet ist.
Der Kernel entscheidet: Wer bekommt CPU-Zeit, wann bekommt er sie und zu welchen Bedingungen.
Bator, Sebastian: Linux Grundbegriffe: Der Kernel. youtube.com (11/2018).
Wer also mit einer effizienten und funktionellen Linux-Distribution arbeiten möchte, die selbst mit fabrikneuen Peripheriegeräten kollaboriert, der sollte stets darauf achten, dass er einen aktuellen Kernel installiert hat.
Die Benutzer einer Ubuntu LTS-Edition bekommen bei sogenannten Point Releases automatisch eine frische Treibersammlung zugeteilt. Diese Servicepacks werden alle sechs Monate über den APT-Dienst verteilt und enthalten neben allgemeinen Bugfixes immer auch eine gepatchte Version eines aktuellen Mainline-Kernels. Allerdings modifiziert Canonical ausschließlich erprobte Linux-Systemkerne, weshalb Ubuntu-Anwender nie sofort auf die allerneusten Funktionen zugreifen können.
Ubuntu 16.10 beispielsweise verwendete zeitweise einen Kernel, der sich als „4.8.0-34-generic“ identifiziert. Das „4.8.0“ deutet an, dass der Quellcode von Linux 4.8 die Basis bildet.
Leemhuis, Thorsten: Welche Linux-Version verwendet meine Distribution? heise.de (11/2018).
Es ist jedoch nicht zwingend notwendig, ein linuxbasiertes System mit dem distributionseigenen Kernel zu betreiben. Stattdessen ist es selbst mit Debian-Derivaten möglich, immer mit der aktuellsten Vanilla-Version zu arbeiten.
Fortan gibt es den Vanilla-Kernel - also die unveränderte Version von kernel.org - als vorbereitetes Paket für Ubuntu.
Stiebert, Julius: Vanilla-Kernel für Ubuntu. golem.de (11/2018).
Falls Sie also einmal eine außerplanmäßige Treiberarchivaktualisierung benötigen, da Ihr Ubuntu eine neu angeschaffte Hardware nicht erkennt, dann können Sie Ihren Systemkern jederzeit substituieren. Was früher eine äußerst kniffelige Angelegenheit war, ist heute dank der Ubuntu Kernel Update Utility ein Kinderspiel. Denn die schlichte Benutzeroberfläche dieses smarten Werkzeugs macht es mit drei Mausklicks möglich, ein frischgebackenes Geräteverwaltungsmodul zu installieren.
Kernel-Updater für Ubuntu
Szenario: In meiner Lieblingssendung RTL „Exclusiv - Das Starmagazin” erfuhr ich von einem Mittelfranken namens Rainer „Drachenlord” Winkler. Dieser Social-Media-Held kann sehr gut auf einer Couch sitzen, weshalb er sich häufig bei dieser Tätigkeit filmt. Für seine Leistung erhält der polarisierende Selbstdarsteller regelmäßig Geldspenden³ vom deutschen Smartphone-Prekariat.
- Gleich nachdem der Bericht über den „Drachen” zu Ende war, fasste ich den Entschluss ebenfalls ein berühmter YouTuber zu werden, da meine schwierigen Anleitungen ohnehin bald keiner mehr verstehen würde.
- Also bestellte ich mir voller Euphorie eine semiprofessionelle Webcam. Als mir die Creative BlasterX Senz3D am übernächsten Tag zugestellt wurde, schloss ich sie sofort an meinem Ubuntu-Rechner an. Dann öffnete ich die Videoapplikation Cheese und musste feststellen, dass meine neu erworbene Kamera nicht funktionierte, was an der fehlenden Treiberunterstützung lag.
Heute habe ich etwas Zeit und möchte herausfinden, ob mein Peripheriegerät eventuell mit einem aktuelleren Systemkern zusammenarbeitet.
Bevor ich mein Debian-Derivat mit der Ubuntu Kernel Update Utility ausstatten kann, muss ich mein Paketverwaltungssystem zunächst einmal mit einer neuen PPA bereichern. Dazu gebe ich den folgenden Befehl in ein Terminal-Fenster ein:
sudo add-apt-repository ppa:teejee2008/ppa
Gleich danach soll mein APT-Dienst alle hinterlegten Softwarequellen aktivieren:
sudo apt-get update
Direkt im Anschluss starte ich die Installation des Kernel-Updaters:
sudo apt-get install ukuu
Sobald diese Operation beendet wurde, öffne ich die eben integrierte Applikation über die Ubuntu Aktivitäten-Suchleiste.
Ein aktuelles Treiberarchiv hinzufügen
Im Hauptmenü der Ubuntu Kernel Update Utility werden mir gleich alle Treibersammlungen angezeigt, die garantiert mit meinem Debian-Derivat harmonieren. Nach einer kurzen Recherche entscheide ich mich dazu, die Version 4.19 auszuprobieren, da es sich hierbei um ein Langzeitkernmodul handelt, das über 14.000 Verbesserungen enthält.
Die Änderungen verteilen sich wie fast immer: Knapp zwei Drittel fallen in den Treiberbereich, wobei Grafik- und Netzwerktreiber den größten Teil ausmachen. Der Rest verteilt sich vor allem auf Architektur-Updates, Dateisysteme, den Kern des Kernels, Netzwerk, Dokumentation und Werkzeuge.
Baader, Hans-Joachim: Linux-Kernel 4.19 freigegeben. pro-linux.de (11/2018).
Also markiere ich in der Update-Software meine auserwählte Kernel-Edition. Anschließend klicke ich auf die Schaltfläche „Install”, woraufhin sich ein Fenster öffnet, in diesem ich die automatisierte Systemkernimplementierung mitverfolgen kann. Nachdem die Installation abgeschlossen wurde, starte ich meinen Computer neu, sodass mein Ubuntu zusammen mit der aktuellen Treibersammlung gebootet wird.
Sobald mir mein System zur Verfügung steht, öffne ich die Videoapplikation Cheese, um festzustellen, ob in der Kernel-Version 4.19 ein Treiber für die Creative BlasterX Senz3D enthalten ist. Doch leider nimmt meine Webcam immer noch keine Bilder auf, weshalb ich das Peripheriegerät wieder zum Händler zurückschicken muss.
Zum Original-Kernel zurückkehren
Szenario: Dass ich die Internetkamera nicht installieren konnte, war ein Zeichen Gottes. Denn wenn ich ein berühmter YouTube-Star werde, dann gibt es im deutschsprachigen Raum keinen ernst zu nehmenden Linux-Missionar mehr, der die Unwissenden zum einzig wahren Betriebssystem führt. Bevor ich mein Schicksal annehme, möchte ich jedoch noch einstellen, dass mein Ubuntu wieder mit dem distributionseigenen Kernel arbeitet, da mein Debian-Derivat vor dem Upgrade einwandfrei funktionierte.
Dazu muss ich als Erstes meinen Computer neu starten. Während des Bootvorgangs halte ich die Umschalttaste gedrückt, sodass mir das GRUB-Menü angezeigt wird. In dieser Ansicht wähle ich dann den Punkt „Erweiterte Optionen für Ubuntu” aus. Gleich darauf sehe ich alle Kernel, die auf meinem Systemdatenträger gespeichert sind.
Als Nächstes markiere ich mit den Pfeiltasten das Kernmodul, das zu meiner Ubuntu-Version gehört. Dann bestätige ich meine Auswahl und warte, bis mein Betriebssystem zusammen mit der altbewährten Treibersammlung geladen wurde.
Zu guter Letzt muss ich die manuell hinzugefügte Mainline-Edition wieder löschen. Das liegt daran, dass der Ubuntu-Bootloader immer die aktuellste Schnittstellensoftware lädt und ich nicht bei jedem Systemstart in das GRUB-Menü eingreifen möchte. Also öffne ich erneut die Ubuntu Kernel Update Utility. Gleich danach wähle ich die Version 4.19 aus, klicke auf die Schaltfläche „Remove” und schaue dabei zu, wie die unerwünschte Treibersammlung rückstandslos eliminiert wird.
Direkt im Anschluss starte ich meinen Computer neu und stelle fest, dass sich mein Betriebssystem wieder im Originalzustand befindet.
Ein manuelles Kernel-Update birgt Risiken
Jeder Ubuntu-Systemkern enthält über 24 Millionen Codezeilen und ist mehrere hundert Megabyte groß. Um diese Basismodule nicht weiter aufzublähen, werden beim Bau einer neuen Version viele alte Treiber und obsolete Funktionen entfernt.
Insgesamt haben die Kernelhacker die Aufräumarbeiten fortgesetzt, die mit dem Entfernen obsoleten Codes in Linux 4.17 begonnen hatte. Die Reduzierung sei nicht so drastisch wie in der letzten Kernelversion, aber dennoch bemerkbar, schreibt Torvalds in der Ankündigung des Release Candidate 1.
Thoma, Jörg: Unfreiwilliger Abgang. Kernel 4.18: Lustre Weg, BP-Filter kommen, XFS modernisiert. In: Linux Magazin Nr. 9 (2018). S. 18.
Dementsprechend kann es sein, dass antiquierte Peripheriegeräte nach einem Kernel-Update plötzlich nicht mehr funktionieren.
Neu ist nicht unbedingt besser. Canonical betreibt einen riesengroßen Aufwand, damit die Benutzer einer Ubuntu LTS-Version fünf Jahre lang ein ausgewogenes und funktionelles Betriebssystem in Anspruch nehmen können.
- Durch die Installation eines Mainline-Kernels bringen Sie die Stabilität Ihres Debian-Derivats in Gefahr. Warten Sie deshalb lieber auf das nächste Point Release. Denn dann erhalten Sie automatisch eine aktualisierte Treibersammlung, die perfekt auf Ihre Distribution zugeschnitten wurde.
Des Weiteren sollten Sie aus meinem Fehler lernen. Bringen Sie vor dem Kauf in Erfahrung, ob Ihre auserkorene Hardware linuxtauglich ist. Ein außerplanmäßiges Kernel-Update ist zwar immer eine Option, um ein Kompatibilitätsproblem zu beheben, führt allerdings nur selten zum Erfolg.
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¹Jordan, Roman: Hausputz. Alte Kernel-Pakete entsorgen. In: LinuxUser Nr. 10 (2018). S. 56.
²Vetter, Veronika Helga: Ubuntu: Temperaturen des Systems anzeigen - Diagnosetool. pinguin.gws2.de (11/2018).
³Lone Ranger: Drachenlord Stream (29.08.2018) Zusammenfassung | Spenden & Schlechte Laune. youtube.com (11/2018).