Bis zur Version 16.04 LTS¹ ließen sich proprietäre Treiber für AMD-Grafikkarten bequem über die Ubuntu-Bordmittel installieren. Diese Funktion ist jedoch überflüssig geworden, da der US-amerikanische Chiphersteller seit dem Jahre 2015² aktiv am Linux-Kernel mitarbeitet. Dadurch ist die freie Gerätesoftware mittlerweile so opulent ausgestattet, dass Radeon-Besitzer standardmäßig die wichtigsten Hardwarefunktionen ohne Einschränkungen nutzen können. Trotz dieses Umstandes melden sich in Foren und Fachzeitschriften immer wieder Experten zu Wort, die an der Leistungsfähigkeit der Open-Source-Alternative zweifeln.
Der Standard-Open-Source-Treiber bringt für Nvidia- und AMD-Grafikkarten nicht die optimale Leistung.
Apfelböck, Hermann: Kleines ABC der Linux-Systemwartung. In: Linux Welt Nr. 1 (2019). S. 21.
Solche pauschal gefällten Urteile verunsichern vor allem unerfahrene Ubuntu-Benutzer. Die Linux-Neulinge fragen sich dann, ob sie den offiziellen Treiber von der AMD-Webseite herunterladen und installieren sollten, um eine bessere Performance zu erhalten.
Hi Leute, mit großem Interesse habe ich euren Nvidia-Artikel gelesen. Nun frage ich mich, ob Besitzer von AMD-Grafikkarten ebenfalls einen Treiberwechsel in Betracht ziehen sollten. In meinem Ubuntu-Rechner steckt zur Zeit eine Radeon RX VEGA 56, die ganz normal über die Bordmittel angesteuert wird. Hätte ich bei Spielen wie Counter-Strike: Source oder Northgard einen Performancegewinn, wenn ich den offiziellen Adrenalin-Treiber installieren würde? PS: Ich bitte um eine verständliche Antwort, da ich Linux erst seit ein paar Wochen nutze.
Bruckner, Oliver: Wie gut ist der vorinstallierte AMD-Treiber? E-Mail vom 12.09.2019.
Gamer haben keinen Vorteil, wenn sie den vorinstallierten Treiber ersetzen. Bereits im Jahre 2018 hat der US-amerikanische Hardware-Analyst Michael Larabel bewiesen, dass das Open-Source-Paket in der PC-Spiel-Disziplin genauso leistungsfähig wie die proprietäre AMD-Software ist. Dieses Ergebnis sollte niemanden verwundern. In Kombination mit der Grafikbibliothek Mesa 3D unterstützt das Ubuntu-Modul amdgpu nämlich nicht nur die OpenGL-, sondern zudem³ die Vulkan-Schnittstelle.
Zusammen mit dem OpenGL-Treiber von Mesa 17.3 liefern diese Grafikchips respektable 3D-Performance, die sich vor AMDs proprietären Treibern nicht zu verstecken braucht.
Leemhuis, Thorsten: Kernel-Log. Linux 4.15: AMD-Vega-Support & RISC-V-Unterstützung. In: c’t Nr. 4 (2018). S. 32.
Hingegen bei Multimediaanwendungen kommen die Schwächen des Kernel-Treibers zum Vorschein, was an der eingeschränkten VDPAU-Unterstützung liegt. So funktioniert die Hardwarebeschleunigung bei der Videowiedergabe nur dann, wenn sich ein freier Codec im Quellmaterial befindet.
- Auch auf YouTube oder Twitch kann die Grafikkarte das System nicht entlasten, da im Open-Source-Paket keine Schnittstellen für Streamingformate enthalten sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ubuntu-Rechner, die mit der hauseigenen AMD-Software betrieben werden, in manchen Situationen eine höhere CPU-Auslastung haben. Wer also ein Filmliebhaber ist und die Standardkonfiguration beibehalten möchte, der sollte eine leistungsfähige Prozessorkühlung besitzen.
Des Weiteren bietet der freie Treiber keine OpenCL-Unterstützung an. Das liegt daran, dass die wichtigsten Linux-Programme diese Hardwareschnittstelle nicht zur Verfügung stellen. Dementsprechend ist das integrierte Grafikkartenmodul für die allermeisten Ubuntu-Benutzer bestens geeignet. Trotzdem erkläre ich in der folgenden Anleitung, wie die proprietäre Gerätesoftware installiert wird, da diese Applikation in manchen Situationen sehr hilfreich sein kann.
AMD-Treiber ersetzen
Szenario: Als passionierter Voyeur besuche ich häufig Hallenbäder. Zum Glück stehen die Umkleidekabinen in den meisten Schwimmanstalten auf Stelzen, sodass ich ohne großen technischen Aufwand erotische Fotos von Damenfüßen schießen kann. Wieder Zuhause bereite ich meine digitale Ausbeute dann immer mit Darktable⁴ auf. Dabei friert das Bildbearbeitungsprogramm häufig ein, da die detailreichen 24-Megapixel-Aufnahmen meinen Hauptprozessor überfordern. Um die Systemleistung zu erhöhen, möchte ich meine AMD-Videokarte als zusätzliche Arbeitsressource freigeben, indem ich OpenCL aktiviere.
Durch die Auslagerung von Berechnungen vom Hauptprozessor auf die GPU können aufwendige Berechnungen erheblich beschleunigt werden.
Albicker, Bernhard: Turbo für Darktable: OpenCL-Einrichtung. bilddateien.de (09/2019).
Die Hardwarebeschleunigung funktioniert jedoch nur dann, wenn ich vorher den proprietären Grafikkartentreiber installiere. Denn wie bereits erwähnt sind im Kernel-Modul amdgpu keine OpenCL-Bibliotheken enthalten.
Also surfe ich zunächst einmal auf die Webseite von AMD. Dort angekommen suche ich mir den Treiber für mein Grafikkartenmodell heraus. Gleich darauf lade ich das Paket „Ubuntu x86 64-Bit” herunter. Direkt im Anschluss öffne ich ein neues Terminal-Fenster, damit ich das TAR-Archiv extrahieren kann. Hierfür navigiere ich zuallererst in den Download-Ordner:
cd Downloads/
Als Nächstes entpacke ich das komprimierte Dokument, indem ich den folgenden Befehl eingebe:
tar -Jxvf amdgpu-pro-19.30-855429-ubuntu-18.04.tar.xz
Hinweis: Jede Datei verfügt über eine individuelle Versionsnummer, weshalb der Mittelteil des Kommandos stets angepasst werden muss.
Daraufhin navigiere ich in das entpackte Verzeichnis, wobei ich für dieses Unterfangen die bereits geöffnete Konsole nutze:
cd amdgpu-pro-19.30-855429-ubuntu-18.04/
In meinem Rechner arbeitet eine AMD Radeon R9 380, weshalb ich für die Aktivierung des Installationsprozesses den nachstehenden Befehl ausführe:
sudo ./amdgpu-pro-install -y --opencl=legacy
Wichtig: Hingegen wer eine aktuellere Grafikkarte besitzt, die nach Juli 2017 in den Handel kam, der sollte die folgende Textzeile verwenden:
Zum Anzeigen des Kommandos hier klicken!
sudo ./amdgpu-pro-install -y --opencl=pal
Sobald die Integration der proprietären Gerätesoftware abgeschlossen wurde, starte ich mein System neu. Im Anschluss daran kann mein Ubuntu die hinzugefügten Erweiterungen in Anspruch nehmen.
Kein Control Center
Der offizielle AMD-Treiber stellt lediglich eine Ergänzung zum vorinstallierten Open-Source-Paket dar. Dabei agieren alle Bibliotheken passiv, was bedeutet, dass auch die proprietäre Gerätesoftware keine Grafikkartenkonfiguration zulässt.
Ubuntu-Benutzer können also weder die Lüfterdrehzahl regulieren noch die Energiespareinstellungen ändern. Dementsprechend ist das Modul amdgpu-pro wirklich nur für diejenigen geeignet, die eine OpenCL-Unterstützung benötigen.
AMD-Grafikkarten kalibrieren
Szenario: Vor zwei Wochen lernte ich bei einem Weight-Watchers-Treffen eine sympathische Frau kennen. Sie heißt Carmen, ist 23 Jahre jünger als ich und möchte mir dabei helfen meinen Fußfetischismus zu überwinden. Um mein altes Leben hinter mir zu lassen, habe ich als Erstes mein Ubuntu-System neu aufgesetzt. Seitdem arbeite ich wieder mit dem vorinstallierten Open-Source-Treiber, da ich das Bildbearbeitungsprogramm Darktable nicht mehr benötige. Immer wenn meine Liebschaft mit ihren Eltern Ärger hat, dann übernachtet sie bei mir, was für mich sehr anstrengend ist. So behauptet meine Bettgenossin beispielsweise ständig, dass mein Rechner zu laut sei. Nur was soll ich dagegen tun? Schließlich lassen linuxartige AMD-Module keine manuelle Lüfterregulierung zu. Doch zu meinem Glück gibt es mit dem Tuningtool Radeon Profile ein Werkzeug, das diverse Grafikkartenkonfigurationen ermöglicht.
Das grafische Programm Radeon-Profile dient zum Feintuning der AMD-Grafikchips. [...] So kann man über AMDGPU beispielsweise manuell die Lüftergeschwindigkeit einstellen.
Wolski, David: AMD: Feintuning für Grafikkarten. In: Linux Welt Nr. 2 (2019). S. 107.
Für die Installation von Radeon Profile benötige ich ein Terminal-Fenster, da die Freeware ausschließlich über eine PPA erhältlich ist:
sudo add-apt-repository ppa:trebelnik-stefina/radeon-profile
Nachdem ich das obige Kommando ausgeführt habe, lasse ich alle hinterlegten Softwarequellen neu einlesen:
sudo apt-get update
Direkt im Anschluss statte ich mein System mit dem Grafikkartenkonfigurator aus, indem ich den folgenden Befehl eingebe:
sudo apt-get install radeon-profile
Sobald der Integrationsprozess abgeschlossen wurde, öffne ich das Tuningtool über die Ubuntu Aktivitäten-Suchleiste. Gleich darauf navigiere ich in den Reiter „Fan Control”, der sich am unteren Ende des Menüfensters befindet.
Als Nächstes wechsle ich in den Modus „Fixed”, woraufhin meine beiden Grafikkartenlüfter deutlich langsamer werden. Der voreingestellte Wert ist mir jedoch zu extrem, weshalb ich den Schieberegler auf 30% ziehe. Nach dieser Maßnahme aktiviere ich meine Änderung, indem ich auf die Schaltfläche „Apply” klicke. Im Anschluss daran ist meine AMD-Hardware immer noch so leise, dass sich meine adipöse Sexualpartnerin nicht mehr beschweren kann.
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¹Nestor, Marius: Canonical Recommends Open-Source AMDGPU and Radeon Drivers for Ubuntu 16.04 LTS. news.softpedia.com (09/2019).
²Kofler, Michael: Linux. Das umfassende Handbuch. 15. aktualisierte Auflage. Bonn: Rheinwerk Verlag 2017.
³Leemhuis, Thorsten: Mesa 19.1: Neue und schnellere 3D-Treiber für Linux. In: c’t Nr. 14 (2019). S. 45.
⁴Andrusyak, Yaroslav: Darktable: OpenCL with amdgpu-pro. youtube.com (09/2019).
Jens Leitner sagt:
Sehr schöne Übersicht, hat mir viele offene Fragen beantwortet. Als IT-Opa fällt mir der Umstieg auf Ubuntu schon schwer. Gut, dass es Ihre Seite gibt, war schon des Öfteren hier. WinXP und Win7 waren meine Betriebssysteme. Seit Win8 hat der Benutzer leider keine Kontrolle mehr, weshalb ich Ubuntu sehr schätze. Alles Gute! Grüße nach Bayern.
Christoph sagt:
Sehr hilfreiche Anleitung, danke. Frage zu Radeon Profile: Habe das Tool unter Ubuntu 20.04 installiert bekommen, indem ich die Quelle auf bionic zurück geändert habe. So weit so gut. Aber jetzt zeigt mir das Programm eine GPU-Temperatur von -14 Grad Celsius an. Außerdem lässt sich der FAN-Reiter nicht anwählen. Liegt das an der GraKa? Habe eine RX 5700 oder funktioniert Radeon Profile nur mit älteren Ubuntu-Versionen?
Helpdesk sagt:
Hallo Christoph! Vermutlich nutzen Sie eine CPU, in der sich eine Grafikeinheit befindet. Ryzen-G-Serie, Kaveri etc. Dementsprechend müssen Sie bei Radeon Profile links oben unter „GPU” ihre dedizierte Grafikkarte auswählen. Das Tool nimmt APUs nämlich immer als primäre Quelle. Nach dem Profilwechsel können Sie den Lüfter regulieren. Alles Gute!