Das Betriebssystem Ubuntu wird mit über 130 Schriftfamilien ausgeliefert. Aber was nützt ein solch imposantes Angebot, wenn das Sortiment vorwiegend aus fast identischen Antiqua-Fonts¹ besteht. Des Weiteren enthalten manche Schriftschnitte weder die deutschen Umlaute² noch das Eurozeichen. In wiederum anderen Zeichensätzen fehlen die Glyphen von lateinischen Buchstaben. Und wer dann endlich eine passende Drucktype für sein YouTube- oder Instagram-Projekt gefunden hat, der scheitert daran, dass seine Auswahl nur für private Einsatzgebiete zugelassen ist.
Aus den genannten Gründen statten erfahrene Anwender ihr Debian-Derivat häufig mit einem Schriftartenpaket aus. Hierbei ist das 15,3 Megabyte große CMU-Archiv besonders zu empfehlen, das in der Universe-Quelle bereitsteht.
Zur Installationsanleitung!
sudo apt-get update && sudo apt-get install fonts-cmu
Im Anschluss an die Operation müssen die Benutzerprogramme noch einen Zugang zu den entpackten Zeichensätzen erhalten:
fc-cache -rv
Die Computer Modern Unicode Fonts setzen sich aus zehn skalierbaren³ TrueType-Schriftfamilien zusammen, die alle für kommerzielle Zwecke geeignet⁴ sind.
Semiprofessionelle Webdesigner oder Kdenlive-Nutzer kommen mit dem CMU-Paket aber auch nicht weit, da die Archivautoren auf das Hinzufügen von Gitter- und Handschriften verzichtet haben. Dementsprechend können kreative Ubuntu-Anwender der typografischen Tristesse nur entfliehen, wenn sie sich für den Font Manager entscheiden. Diese Linux-Software greift nämlich auf eine Google-Datenbank zu, in der über 1000 freie Schriftfamilien zum Download bereitstehen.
Des Weiteren ist es mit dem Hilfsmittel möglich, installierte Drucktypen zu deaktivieren. Diese stillgelegten Zeichensätze tauchen dann nicht mehr in den Grafik- und Büroprogrammen auf, was die Übersichtlichkeit in den Auswahldialogen erhöht.
Der Browse-Modus verhilft dem Anwender schnell zu einem Überblick über bereits auf dem System vorhandene Fonts. Wer einzelne Schriftarten nicht braucht, deaktiviert sie per Mausklick.
Fink, Andi & Heike Jurzik: Klasse Typen! linux-magazin.de (12/2020).
Die größte Spezialität des Font Managers ist jedoch seine effiziente Sortierfunktion. So stellt die Freeware beispielsweise nur die Schriftarten dar, die unter einer bestimmten Lizenz stehen. Dadurch sehen Kunstschaffende sofort, welche Glyphen sie für ihre kommerziellen Medienerzeugnisse verwenden dürfen.
Wer also gerne mit GIMP arbeitet oder eine phantasievolle Präsentation mit Impress erstellen möchte, der sollte unbedingt auf die Dienste des Font Managers zurückgreifen. In der nachfolgenden Anleitung erfahren ingeniöse Ubuntu-Anwender, wie sie ihr Betriebssystem mit dem smarten Schriftartenverwalter ausstatten. Darüber hinaus führen die Pinguin-Autoren ein Praxisbeispiel vor, um die Besonderheiten des Werkzeugs zur Schau zu stellen.
Fonts für Flyer
Szenario: Wegen der Corona-Pandemie musste ich meine Eckkneipe schließen und in die Privatinsolvenz gehen. Nach 22 Jahren hinter der Theke bin ich berufsbedingt zum Spiegeltrinker geworden, weshalb ich nicht mehr in ein gewöhnliches Angestelltenverhältnis wechseln kann. Doch zum Glück lehnt meine Lebensgefährtin arbeitslose Sexualpartner ab, weswegen sie eine große Kreditsumme aufnahm, um eine stillgelegte Druckerei zu kaufen. Seitdem sitze ich täglich mehr oder weniger nüchtern in unserem Betrieb und warte auf Kundschaft. Aufgrund des Umstandes, dass die Bedienung des abgelösten Maschinenparks äußerst kompliziert ist, nutze ich als Alternativgerätschaften einen HP DeskJet 2720, der an einem Ubuntu-Laptop steckt. Mit diesen beiden Apparaturen generiere ich Umsatz, indem ich Flyer für die außerparlamentarische Opposition entwerfe. So kam gestern wieder einmal ein schwarz gekleideter Interessent in meine Werkstatt, der Einladungskarten benötigte. Nachdem wir die Daten durchgegangen waren, fragte ich den Auftraggeber nach seinen Layoutwünschen. Daraufhin zeigte der Mann auf einen Jackenaufnäher und sagte: „Das können Sie sich doch denken!” Dann stand er auf und ließ mich ratlos zurück. Da der Radikalist aber einen sächsischen Dialekt sprach, würde ich mit einem Wehrmachts-Design vermutlich nicht allzu falsch liegen.
Währenddessen ich mit der Handzettelgestaltung zügig vorankam, bereitete mir die Schriftart große Sorgen. Weder in den Ubuntu-Bordmitteln noch im CMU-Archiv fand ich Fonts, die zu einem Chemnitzer Grillfest passen.
Die jeweils richtige Schrift ausfindig machen ist mühsam und kostet Zeit, soll die Schrift doch wie alle anderen Elemente zum Inhalt passen und die Gestaltung unterstützen.
Burkhardt, Ralph: Printdesign. Das umfassende Handbuch. 2., aktualisierte Auflage. Bonn: Rheinwerk Verlag 2019.
Also statte ich mein Betriebssystem mit dem Font Manager aus, da ich einen Blick in Googles Drucktypen-Katalog werfen wollte. Hierfür öffnete ich zunächst einmal ein neues Terminal-Fenster, damit ich die folgende Softwarequelle integrieren konnte:
sudo add-apt-repository ppa:font-manager/staging
Gleich nachdem ich das privatgeführte Depot hinzugefügt hatte, startete ich die Programminstallation mithilfe des nachstehenden Befehls:
sudo apt-get install font-manager
Im Anschluss daran schloss ich die Kommandozeile wieder. Dann navigierte ich in die Ubuntu Aktivitäten-Suchleiste, um den Schriftartenverwalter auszuführen.
Am besten dürften wohl gebrochene Buchstaben zu meinem Flyer-Layout passen. Zwar hatte der Führer nur wenig für Frakturschriften übrig, da sie ein Hindernis⁵ bei der Auslandspropaganda darstellten, trotzdem rufen gotische Glyphen heute noch Wehrmachts-Assoziationen hervor. Das liegt vermutlich daran, dass altdeutsche Lettern im Dritten Reich eine herausragende Stellung einnahmen.
Die Nazis haben die Fraktur-Schriften überhöht und als die einzig »wahre deutsche Schrift« propagiert.
Siebert, Jürgen: Fraktur ist (auch) eine Nazi-Schrift. fontblog.de (12/2020).
Schriftarten installieren
Um also eine Drucktype zu finden, die mit meiner Einladungskarte harmoniert, wählte ich im Font Manager zunächst einmal das G-Symbol an. Gleich darauf war ich mit dem Webkatalog von Google verbunden. Direkt im Anschluss gab ich den Begriff „Fraktur” in das Suchfeld ein, woraufhin mir verfügbare Schriften angezeigt wurden.
Nachdem ich einen passenden Zeichensatz herausgesucht hatte, klickte ich auf die Schaltfläche „Familie herunterladen”. Danach musste ich mich weder um Lizenzen noch um die Programmintegration kümmern, da die neue Schrift direkt in GIMP zur Auswahl stand.
Fontfinder präsentiert die Fonts aus dem öffentlichen Google-Fonts-Verzeichnis zur Installation. Diese Schriftarten wurden unter freie Lizenzen gestellt.
Wolski, David: Fontfinder: Fonts finden und installieren. In: Linux Welt Nr. 1 (2020). S. 145.
Darauffolgend konnte ich meinen Flyer unkompliziert mit einer Font aufpeppen, die nicht zum Ubuntu-Standardrepertoire gehört.
Als der Auftraggeber heute Vormittag in meine Druckerei kam, war er von dem Entwurf begeistert. Der tätowierte Mann versicherte mir, dass er mich ganz bestimmt bei seinen Kameraden weiterempfehlen werde. Und wer weiß, ob ich meine neue Stammkundschaft auch ohne den Font Manager gewonnen hätte.
Gibt es Schattenseiten?
Der Hersteller⁶ proklamiert seinen kostenlosen Schriftartenverwalter als ein Produkt, das lediglich für GTK-Benutzeroberflächen geeignet ist. Tatsächlich lässt sich das Werkzeug aber ebenfalls mit dem KDE-Plasma-Desktop nutzen.
Der einzige Nachteil des Font Managers dürfte seine Herkunft sein. Schließlich liegt die Drittanbietersoftware in einem Privatarchiv, das jederzeit offline gehen kann. In diesem Fall wäre es so, als hätte es das Hilfsmittel nie gegeben.
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¹Beinert, Wolfgang: Antiqua. typolexikon.de (12/2020).
²Wolfgramm, Claus: Ubuntu 16.04 LTS: Zusätzliche Schriften in Ubuntu installieren. wolfgrammservices.wp.com (12/2020).
³Korthaus, Claudia: Grundkurs Typografie und Layout. Für Ausbildung und Praxis. 6., aktualisierte Auflage. Bonn: Rheinwerk Verlag 2020.
⁴Lečić, Nikola & Andrey Panov: SIL Open Font License (ofl). ctan.org (12/2020).
⁵Lohr, Matthias: Die angebliche Nazi-Schrift im Polizeipanzer: Darum ist Fraktur bei Rappern so beliebt. hna.de (12/2020).
⁶Casiano, Jerry: Font Manager. github.com (12/2020).