Im Jahre 2022 litten die Deutschen unter dem gesellschaftlichen Wandel, dem Wertverfall ihrer Währung und dem wirtschaftlichen Abschwung. Anders als ihre europäischen Gesinnungsgenossen konnte die AfD aber bisher kaum vom schlechten Zustand ihres Heimatlandes profitieren, was unter anderem am Parteinamen liegt. Schließlich ist eine Alternative nie so gut wie das Original. Wer Butter im Haus hat, brät nicht mit Margarine, da er den geschmacklichen Unterschied kennt. Genau so verhält es sich mit Software. Langjährige Photoshop- oder Premiere-Pro-Nutzer möchten den Klassenprimi die Treue halten und können deshalb keine Linux-Distributionen in Anspruch nehmen. Anwender der Adobe Creative Cloud sind nämlich dazu gezwungen, mit aktuellen Apple- oder Microsoft-Betriebssystemen zu arbeiten. Ein Umstand, der sich auch niemals ändern wird. Praxisfremde Gscheidhaferl würden nun WineHQ ins Feld führen. Das ist eine Umgebung, mithilfe derer sich veraltete Windows-Programme mit Leistungseinbußen unter Linux starten lassen.
Doch selbst Linux-Enthusiasten gestehen sich ein, dass Profifotografen den Industriestandard¹ erfüllen müssen und deshalb keine antiquierten PSD-Dateien verschicken können. Des Weiteren deckt WineHQ das DirectX-Spektrum nur unzureichend ab, wodurch Grafikhardwarefunktionen ungenutzt bleiben, was sich wiederum negativ auf den Leistungsumfang von Photoshop auswirkt.
Open-Source-Freunde reißen nun die Hände nach oben und freuen sich darüber, dass es mit dem Bildbearbeitungsprogramm GIMP eine native Linux-Freeware gibt, die verfügbare Systemressourcen vollumfänglich ausreizt. Nur was haben Grafik- oder Webdesigner von diesem Umstand, wenn Debian-Derivate wie Ubuntu keine Zeichentabletts erkennen?
Zumindest weigert sich der Marktführer Wacom vehement dagegen, seine Gerätetreiber für Linux zu portieren. Zwar ist es mittlerweile möglich, manche Modelle mithilfe des Gnome-Bordmittels zu konfigurieren, erfahrungsgemäß führt die aufwendige Stifte- und Tastenkalibrierung jedoch stets zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Linux erkennt ein unterstütztes Wacom-Tablett nach dem Anschließen automatisch als Eingabegerät. In den meisten Fällen ist das Tablett aber noch nicht gut verwendbar, da Positionierung und Druckstärke viel zu empfindlich eingestellt sind.
Wolski, David: Eingabegeräte: Wacom-Tablett einrichten. In: Linux Welt XXL Nr. 1 (2021). S. 173.
Am Ende bleibt die folgende Erkenntnis: Als größte Stärke von GIMP gilt die Foto-Retuschierung - in Fachkreisen auch Retouching genannt. Demnach kann alles, was zwischen einem Hobbyfotografen und einem Instagram-Influencer liegt, ohne Weiteres zu Ubuntu wechseln.
Wer das Profil erfüllt und bisher mit Photoshop gearbeitet hat, der möchte sich vielleicht den Umstieg erleichtern, indem er GIMP zumindest optisch in das Adobe-Flaggschiff verwandelt.
Hinweis: Im folgenden Podcast spricht die Webkünstlerin Veronika Helga Vetter über ihre Probleme mit Photoshop unter Ubuntu. Außerdem geht es um die Videoschnittsoftware Kdenlive, die zum Goldstandard in ihrem Genre zählt.
PhotoGIMP einrichten
Szenario: Mein Computersystem besitzt keinen TPM-2.0-Chip, weswegen die Installation von Windows 11 bei mir nicht funktioniert. Als Alternative bin ich neulich zu Ubuntu 22.04 gewechselt, was für mich ein großer Schritt war, da ich als mittelgroßer Instagram-Influencer auf einen funktionstüchtigen Rechner angewiesen bin. Zuletzt nutzte ich Photoshop CC 2022, um meine Bilder für die Plattform zu bearbeiten. Zwar besitzt GIMP dank des G’MIC-Plugins extrem gute Filter, die Programmbedienung ist für mich jedoch äußerst ungewohnt und deshalb verliere ich viel Zeit beim Retuschieren. Damit ich zumindest auf bekannte Symbole und eine altbewährte Menüführung zurückgreifen kann, möchte ich heute PhotoGIMP installieren. Dementsprechend lade ich mir als Erstes die kostenlose ZIP-Datei von GitHub herunter.
Gleich nachdem ich das entpackte Archiv betreten habe, drücke ich die Tastenkombination Strg + H, um die versteckten Elemente anzeigen zu lassen. Direkt im Anschluss klicke ich mich so lange durch das Verzeichnis „.var”, bis ich zum Ordner „GIMP” gelange, den ich mithilfe der Maus ausschneide.
Als Nächstes wähle ich im Dateimanager Nautilus den Reiter „Persönlicher Ordner” an, damit ich über das Verzeichnis „.config” zu einem anderen Ordner namens „GIMP” gelange, den ich mit der ausgeschnittenen Datei ersetze.
Nach dem Zusammenführen der beiden Verzeichnisse starte ich das GNU Image Manipulation Program über die Ubuntu Aktivitäten-Suchleiste, um den Photoshop-Nachbau zu bewundern.
Hinweis: PhotoGIMP ist lediglich ein Facelifting, das keinerlei Adobe-Funktionen implementiert. Um die Modifikation zu löschen, muss GIMP rückstandslos entfernt und neu installiert werden.
No to Premiere Pro
Währenddessen Adobe im Bildbearbeitungssektor das Nonplusultraprodukt in seinen Reihen hält, gab es im Videoschnittsegment mit Sony Vegas oder Magix Video deluxe schon immer gleichwertige Alternativen zu Premiere Pro. Auch Ubuntu-Nutzer müssen in diesem Multimediabereich nicht traurig an der Seitenlinie stehen, sondern haben mit Kdenlive eine native Linux-Software, die es mit allen Filmeditoren aufnehmen kann.
Kdenlive ist ein vielseitiger Videoeditor, mit dem sich ganz unterschiedliche Videos verwirklichen lassen. Der Einstieg fällt erfreulich leicht und wer will, kann auch kleine Animationen bauen, das Video mit einer Untertitelspur versehen und für die gewünschte Veröffentlichungsplattform ins passende Format rendern.
Dubowy, Liane M.: Freier Schneidetisch. Videos schneiden mit der Open-Source-Software Kdenlive. In: c’t Nr. 16 (2021). S. 156.
Aber wie ist es möglich, dass eine kostenlose Videoschnittsoftware zur Gewichtsklasse von Premiere Pro zählt? Das liegt daran, dass Kdenlive viele Open-Source-Module miteinander verbindet, die unabhängig voneinander entwickelt werden.
- Die Programmschreiber müssen sich beispielsweise nicht um die Renderfunktion kümmern, da diese auf dem MLT-Framework basiert.
- Auch die Benutzeroberfläche ist outgesourced und besteht aus fertigen Qt-Bibliotheken. Des Weiteren greift Kdenlive zum Komprimieren der Filmdateien auf das FFmpeg-Paket zurück.
Wie der Name bereits verrät, gehört das renommierte Videoeditor-Projekt zum Konglomerat des KDE e. V. und kann auf dessen Ressourcen zugreifen. Addiert ergeben diese ganzen Bausteine ein Gönner- und Entwickler-Team, das sich hinter keiner Adobe-Abteilung verstecken muss.
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¹Davies, Michael: Photoshop vs GIMP: A Complete Comparison. youtube.com (11/2022).
Pomp-Faßhauer sagt:
Es ist schön, dass hier so ehrlich berichtet wird. Denn manchmal hats einfach keinen Zweck auf Ubuntu zu wechseln. Wie mein Schwiegersohn, der Photoshop für seine Arbeit braucht. Der ist ewig auf Windows verdammicht. Er schaut sich immer mein System an aber ich sage dann immer: „Ne du lass mal, da wirst du nicht glücklich!”
Ja ich lese Ihre Webseite nu schon seit circa 3 Jahren. Damals war ich neu auf Ubuntu und habe Hilfe gesucht. Heute ists entspannter und ich lese gerne bei Ihnen, was es so Neues gibt.
Photogimp is meiner Meinung nach quatsch, entweder original oder gar nicht. Ich brauch kein Fotobearbeitung, deshalb ist Ubuntu mein einziges System.
BBQ Cheese sagt:
Okay schöner Podcast. War alles drin was ich wissen wollte. Ich brauche Photoshop für so viele Sachen, dass ich einfach nicht wechseln kann. Naja, mit dem Notebook gehts aber mit dem Desktop - no chance, schade.
Patrick sagt:
Wahrscheinlich giltst du jetzt als Nestbeschmutzer in der Linux-Bubble. Als jemand der seit 1997 mit Photoshop arbeitet, muss ich immer lachen, wenn GIMP als Alternative angepriesen wird. Schön, dass hier etwas differenzierter an das Thema herangegangen wird.
Ich mag Ubuntu. Ich spiele native Linux-Spiele wie CK III oder CS:GO lieber unter Ubuntu, weil es dann einfach flüssiger mit mehr FPS läuft. Aber Bildbearbeitung geht halt nur unter Windows. Du darfst auch nicht vergessen, dass man manchmal mit After Effects arbeitet und dazu brauchst du Windows.
Keine Ahnung warum Adobe nicht für Linux portiert. Vielleicht weil dann Apple völlig weg vom Fenster wäre, zumindest würde dann keiner mehr die überteuerten Mac Books kaufen.
SuperPtd. sagt:
Wir hatten gerade in der Arbeit eine riesen Diskussion über Linux-Derivate. Da gibt es Kollegen mit missionarischem Auftrag, die alle anschwatzen, um sie zu Linux zu bewegen. Gegenrede wird nicht geduldet. Und jetzt schreibt hier ein Fachmann, das Photoshop niemals unter Linux funktionieren wird. Jawoll in your Face! Das ist ja wohl das KO-Kriterium überhaupt.
So gleich mal weitergeleitet ... Grüße an Felix, Tippelt und die anderen Husos. Windows hat gesiegt ihr Nulpen mit eurem 0815-GIMP.
Torven Hartz sagt:
Fehlende Adobe-Software ist das größte Hindernis, eine Linux-Distribution zu nutzen. Gerne würde ich meinen Desktop-PC mit Ubuntu ausstatten, aber ich brauche ein aktuelles Photoshop. Und dieses Wine, WineTricks und PlayOnLinux ist alles nur Gedöns, was einem die Festplatte vollmüllt und am Ende nichts bringt.
Es ist ganz klar Firmenpolitik, dass Adobe keine Linux-Portierung vornimmt, um Apple zu hypen. Und so kann ich Ubuntu nur auf meinem Laptop nutzen. Es ist komisch, dass Linus Torvalds das so hinnimmt. Bei Nvidia hat er doch auch ewig medienwirksam rumgestänkert, bis die native Linux-Treiber geliefert haben.
Cevabcici01 sagt:
Hi ich überlege gerade, zu Ubuntu zu wechseln und habe schon viele von deinen Artikeln gelesen. Hier muss ich kommentieren, weil es mich anspricht. Aaaalso ich nutze Photoshop seit Version 7 und das ist eines der Hauptgründe, warum ich bisher bei Windows geblieben bin. Natürlich kenne ich GIMP aber das hängt aus technischer Sicht Jahre hinterher.Das Facelift mit PhotoGIMP ist ja schön und gut aber bei Photoshop läuft vieles mittlerweile KI-gestützt.
Mit Kdenlive könnte ich mich anfreunden, habe unter Win bisher Studio Ultimate von Pinnacle genutzt - bin also kein Adobe Fanboy. Aber Photoshop ist eben Photoshop, bleibt also nur ein Dual-Boot-System aber was soll das bringen?